Frau R. Wagner(FDP) spricht über Bildungspolitik in Deutschland

Sprecherin Jessica Schmitt mit Ruth WagnerAm Dienstagabend, den 29.05.2007 konnten wir Frau Ruth Wagner von der FDP auf dem Haus begrüßen. Frau Wagner hielt einen Vortrag über die Bildungssituation in Hessen/Deutschland.

Frau Ruth Wagner wurden 18 Okt. 1940 in Hessen geboren. Sie studierte gymnasiales Lehramt mit den Fächern Germanistik, Politologie und Geschichte an der Goethe- Universität in Frankfurt. Seit 1971 ist sie Mitglied der FDP und seit 2003 Vizepräsidentin des Hessischen Landtages. Von 1999 bis 2003 war sie Hessische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst.

Der Vortrag begann mit einem Abriss über das Bildungswesen in den letzten 50. Jahren und spiegelte im Verlauf den Fortschritt des Bildungssystems in Hessen wider. Frau Wagner machte deutlich, dass früher der Bildungsstand jedes einzelnen seinen sozialen Status ausdrückte. Bildung war und ist, vielleicht heute immer noch, abhängig von der sozialen Herkunft. Heute ist Bildung für jeden zugänglich und man kann eine hohe Bildungsbereitschaft feststellen. Jedoch bilden Schülerinnen und Schüler aus Akademikerfamilien heute immer noch den Großteil des weiterführenden Bildungssystems. Somit findet immer noch eine Ausbildung nach sozialem Umfeld statt.

Heute muss Bildung vergleichbar werden. Die Europäische Union hat bei der Bologna- Konferenz einen Plan zur Vergleichbarkeit der Bildung beschlossen, der jetzt nach und nach umgesetzt werden soll. Durch die Einführung der Bachelor/Master- Studiengangs versucht Europa die verschiedenen Ausbildungsformen zu verallgemeinern und vergleichbar/ durchschaubar zu gestalten. Allerdings macht Frau Wagner in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, dass nicht jedes EU- Mitgliedsland die alten Regularien sofort verändern muss. Vielmehr müsste es auch Platz für Individualität der einzelnen Staaten geben.
Frau Wagner stellt fest, dass Deutschland deutlich hinter dem Einschulungstermin für Kinder in den europäischen Nachbarländern liegt. In Durchschnitt wird ein Kind in Europa mit 5 Jahren eingeschult und besucht in den meisten Fällen ein Jahr lang die Vorschule bis es dann in die Grundschule geht. Auch die Durchschnittsanzahl an Schuljahren ist in den europäischen Mitgliedsstaaten geringer als in Deutschland. Daher wurde schon die Änderung vollzogen, nur noch 12 Schuljahre bis zum Abitur aufzuweisen. Viele europäische Länder haben auch keine Wehrpflicht, was die Zeit bis zum Berufseintritt weiter verlängert. In Deutschland ist das durchschnittliche Eintrittsalter ins Berufsleben bei ca. 27 Jahren. Das ist im europäischen Vergleich viel zu spät. Auch hier muss, laut Frau Wagner eine Veränderung stattfinden. Sie spricht sich für eine frühere Einschulung aus, betont allerdings, dass das ohne neuerliche Schulformdebatte ablaufen kann.

Sprecherin der Aktivitas Jessica Schmitt und Vorsitzender der Burschenschaft Michael Kottner mit Ruth WagnerDie Vergleichbarkeit der Schulsysteme soll über die Studie PISA erreicht werden. Dabei handelt es sich um die Überprüfung von 15 jährigen Schülerinnen und Schülern. PISA konzentriert sich nicht auf ein einzelnes Schulfach, sondern untersucht die drei Bereiche Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften.
Die PISA-Studie brachte bei der erstmaligen Durchführung ein sehr schlechtes Ergebnis für Deutschland ein. Damals brachte eine Diskussion aus, die alles bisher da gewesene verurteilte. Frau Wagner erklärte uns, dass die Kultusministerkonferenz damals beschlossen hatte, Deutschland an der PISA-Studie teilnehmen zu lassen. Man wollte den Bildungsstand in Deutschland überprüfen und seine Stellung in der Welt kennen lernen. Durch die erlangten Resultate können jetzt Veränderungen auf den Weg gebracht werden; Abitur nach 12 Jahren, mehr Förderungskurse u.v.m. Frau Wagner erwähnte allerdings, dass man durch diese Studie kein Gesamtbild über das Bildungssystem erhalten kann. Fähigkeiten wie beispielsweise „Qualifikation zum Erlernen von Fremdsprachen würde nicht überprüft werden. Jedoch räumt sie ein, dass es Bewertungskriterien geben muss, um Vergleiche ziehen zu können. Aus ihrer Sicht ist jedoch festzuhalten, dass das 3-Gliedrige-Schulsystem, also die Gliederung in Haupt-, Real- und Gymnasialstufe, nicht das Scheitern der deutschen Schülerinnen und Schüler beim PISA-Test erklärt. Vielmehr sei es die große Spreizung zwischen der sozialen Herkunft und dem erreichten Abschluss. In Deutschland ist die Wissenspanne deutlich auseinander gelaufen. Ca. 20% der Hauptschüler machen keinen Abschluss. Leider zählen viele Schüler mit Migrationshintergrund zu diesen 20%. Hier müsse sich die Politik einschalten um eine Veränderung durchzusetzen.

Frau Wagner machte auf ein weiteres Problem aufmerksam. Die Geburtenrate liegt zurzeit bei ca. 1,36 Kindern pro Frau in Deutschland und sinkt in den nächsten Jahren weiter. Immer weniger Kinder werden in Hessen bzw. Deutschland geboren. Auch hier möchte Frau Wagner eine Verbesserung des Betreuungssystems gerade im Bereich Kleinkindbetreuung erreichen, um auch berufstätigen Frauen die Möglichkeit einzuräumen für ihren Kinderwunsch ihre Karriere nicht opfern zu müssen.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der hierbei beachtet werden muss, ist die Alterung-und Binnenwanderung innerhalb Deutschlands. Für Hessen gilt die Zuwanderung besonders in das Rhein-Main-Gebiet. Immer mehr Nord-und Osthessen beschließen ihren Ausbildungs-und Arbeitsstelle nach zu folgen und ziehen ins Rhein-Main-Gebiet. In Frankfurt und Umgebung findet eine Zuzug von Hochqualifizierten statt. Dort leben über 120 Nationen friedlich zusammen. Das hat jedoch zur Folge, dass sich in den ländlichen Gegenden die Gesellschaftsschicht verändert, was viele Konsequenzen mit sich bringt. Die Sozialformen einer Gesellschaft sind abhängig und gekoppelt an den Arbeitsplatz.

Zum Ende des Vortrags erwähnt Frau Wagner noch mal, dass Deutschland auf seinen hohen Bildungsstand angewiesen ist. Dies, so Frau Wagner ist unser einziges Kapital. Jeder müsse sich bei der Umsetzung dieser Aufgabe einbringen. Heute sind Merkmale wie Flexibilität, Mobilität und Qualität ausschlaggebend für den Erhalt von Arbeitsplätzen. Unsere Bildung muss zu mehr Qualität und Qualifikation führen. Die Weiterbildung muss dabei eine wichtige Rolle spielen um das Niveau dem Bedarf der Wirtschaft an zu passen.

Bildung ist zwar in erster Linie Selbstentfaltung, jedoch für die Gesellschaft und Wirtschaft das wichtige Produkt.

Anschließend kam es noch zu einer Diskussion zwischen Frau Wagner und den Anwesenden.
Ich fand diesen Diskussionsabend interessant. Schließlich ist dies eines der wichtigen Themen der deutschen Innenpolitik. Nach diesem Abend ist klar, dass sich was ändern muss, aber dass die Veränderung schon angefangen hat.

Auf diesem Wege möchten wir Frau Wager für den interessanten Vortrag und die anschließende Diskussion danken.