„Die Zeit vergeht nicht schneller als früher, aber wir laufen eiliger an ihr vorbei.“
– George Orwell
Abtrunk Sommer 2019. Und schon wieder haben wir ein Semester hinter uns gelassen.
Mit einem Liederbuch in der Linken und einem Bier in der Rechten stehen wir gemeinsam unter der noch wehenden Fahne. Ohne Musikus – unsere liebe Judith bereist gerade die Welt und die beiden Nachwuchspianisten sind aus entweder geographischen oder kompetenzbedingten Gründen noch nicht bereit die Folge anzutreten – stimmen wir unseren Lieblingskantus dieses Mal a cappella an. „Die Gedanken sind frei“ ertönt mit mindestens so viel Gefühl wie verschiedenen angesungenen Tonlagen über unseren Gothen-Hinterhof. Parallel dazu holt Patrick zur traditionellen Verkündung des Endes dieses Couleursemesters unsere Fahne ein und befreit sie damit für die dreimonatigen Semesterferien von ihrer – über unserer Eingangstür hängend – mangellos ausgeführten repräsentativen Rolle.
Nach verklungenem Gesang bittet unser gern gesehener AH Michael K. um das Wort und beantwortet eine Frage, welche ihn nach unserem Gothia-Abend erreicht hat. „Warum haben wir [Gothen] uns damals entschieden auf den ‚Burschenschafts-Zug‘ aufzuspringen? Warum haben unsere Alten Herren sich 1955 nicht für eine Identifikation mit der AV entschieden, wo wir doch ursprünglich auch Teil der Akademischen Vereinigung Wachenburg waren?“ Lächelnd zieht er den Abdruck einer historischen Quelle über die Urburschenschaft – entstanden zu Beginn des 19. Jahrhunderts – aus seiner Tasche und gibt uns einen kleinen geschichtlichen Exkurs. Aus einer der ersten Auflagen von „Fragen an die deutsche Geschichte“ zitiert er „Direkten politischen Einfluß besitzt die Burschenschaft nicht, doch prägt sie das Bewußtsein jener Akademiker, die im Vormärz und in der Revolution von 1848 die politische Führung des Bürgertums übernehmen. Unter dem Druck der beginnenden Revolution erklärt der Bundestag die Farben der Burschenschaft „Schwarz-Rot-Gold“ zu den deutschen Bundesfarben.“ AH Michael K. fügt erklärend hinzu, Deutschland habe sich zu urburschenschaftlichen Zeiten in einer vergleichbaren Lage befunden wie zu Zeiten unserer Neugründung. Das Land in Trümmern, die Leute nach einem Neuanfang strebend. Die Entscheidung eine Burschenschaft zu werden könne von dem Sympathisieren unserer an der Gründung beteiligten Alten Herren mit der liberal eingestellten Urburschenschaft und eben diesen bezeichnenden Entwicklungen im Vormärz herrühren – direktes Nachfragen stelle sich heutzutage allerdings als nachvollziehbar schwer heraus. Mit neuen interessanten Denkanstößen entlässt er uns in den restlichen Abend.
Zwischen Fleischkäsebrötchen – beziehungsweise der veganen Hummus-Alternative -, frischem Fassbier und so viel guter Laune, wie man während der Klausurenphase nun einmal aufbringen kann, haben wir zusammen geredet, getanzt und getrunken und die letzte offizielle Veranstaltung dieses Semesters zu einer angenehmen Überleitung in die vorlesungsfreie Zeit werden lassen.
– Kea B.