Aus der Handreichung

Einige unserer Alten Herren, unter anderem Hartmut Schmidt-Petri und Rudolf Oertel, haben sich im Jahre 1997 die Mühe gemacht und eine Handreichung der Darmstädter Burschenschaft Gothia erstellt. In dieser haben wir einen Text entdeckt, in dem ein Alter Herr einem Freund, der mit dem Thema „Verbindungen“ zuvor noch nichts am Hut hatte, das Leben in unserer Studentenverbindung beschreibt.

„Ich wohne in einem großen Haus mit lauter jungen Leuten, welches wir vollkommen eigenverantwortlich bewohnen. Es gibt keinen Hausmeister oder nervige Nachbarn, wir können im Großen und Ganzen machen, was wir wollen.
Einer von uns sorgt sich immer darum, daß unser Bierverleger genügend Getränke ins Haus liefert, ein anderer regelt die Abrechnung mit der Telekom, noch ein anderer macht sich vor dem Semester Gedanken darüber, was wir denn mal an Außeruniversitärem unternehmen wollen; Wochenenausflüge, Partys, Theaterbesuche, politische Diskussion­s­­runden, Firmenbesichtigungen und vieles andere mehr.
Natürlich muß niemand diese Aufgaben völlig alleine machen, es sind immer Leute da, die mit Rat und Tat zur Seite stehen, damit auch die Jobs am und im Haus nicht zuviel werden – schließlich ist unsere Hauptaufgabe immer noch das Studium.
Wie auch im „richtigen Leben“ erfordert das Leben in einer solch großen Gemeinschaft die Einhaltung gewisser Grundregeln. Dazu gehört in erster Linie, mit offenen Augen umherzulaufen und selbständig Probleme und Engpässe nicht nur zu erkennen, sondern ihnen auch aktiv entgegenzusteuern. ´Just do it !´ heißt die Devise.
Das bedeutet also, daß wir alle in den Dingen des täglichen Lebens eine gewisse praktische Intelligenz an den Tag legen müssen. Wer das noch nicht so drauf hat, wird von den anderen recht schnell entsprechend eingewiesen. Alles in allem trägt also jeder von uns irgendwie, je nach Können und Interesse etwas zum Gelingen und zum reibungslosen Ablauf unseres Zusammenlebens bei.“
Wie wir alle wissen, kann natürlich in einem Haus, in dem 23 Studenten zusammenleben, nicht immer alles vollkommen reibungslos ablaufen. 23 Freunde, die alle dieselben Interessen und Neigungen haben, wird es sicher nicht geben. Dieser Umstand ist aber keineswegs als Belastung, sondern vielmehr als Chance zu sehen, Neues, andere Sichtweisen und Einstellungen kennen und zumindest besser verstehen zu lernen. Der Blick über den ´Tellerrand´ hinaus ist uns allen eben ungemein wichtig!

Die Burschenschaft Gothia ist kein Wohnheim. Keiner ist hier auf sich allein gestellt, es sind immer ältere Semester oder auch oft junge Alte Herren zum Austausch von Meinungen und Erfahrungen da. Bei Problemen in der Uni gibt es meist jemanden, der einem helfen kann – und wenn nicht, findet man zumindest einen, der ein Ohr für die Sorgen und Nöte hat und vielleicht einfach mal mit gesundem Menschenverstand an die Sachen ran geht. Es gibt nichts Schlimmeres, als sich völlig allein auf die unvermeidlichen Prüfungen vorbereiten zu müssen – hier ist das kein Thema: mindestens 20 andere sind wie man selbst genauso immer im Prüfungsstreß. Also ´don`t worry, be happy!´

Abends gehen wir öfters zusammen weg, oder nehmen manchmal auch nur ein „Gute Nacht“- Getränk zu uns und freuen uns, auch mal wieder über etwas anderes, als über die Uni sprechen zu können. Man ist einfach nicht so allein, bekommt auch dadurch viel mehr von der Uni und allem Drumherum (Feten, Anmeldefristen, etc.) mit, weil sich auf dem Haus in gewisser Weise ´Wissen´ akkumuliert.

Die von unserem Alten Herrn angesprochene Organisation des Zusammenlebens hört sich zugegebenermaßen nicht nur nach Arbeit an; jedoch sollte man das auch von einer anderen Seite sehen: Wer mal eine Fete für 100 Leute organisiert hat, mit Firmen Besichtigungstermine ausgemacht, Gedanken von 23 Leuten bei den Mitgliederversammlungen in geordnete und fruchtbare Bahnen gelenkt hat, einen Vortrag vor allen Mitgliedern über ein interessantes Thema gehalten oder einfach nur bei Renovierungsaktionen geholfen hat, hat sicherlich etwas fürs Leben gelernt.
Wir lernen also hier Dinge, die auf der Uni sicher nicht gelehrt werden, welche aber von unseren späteren Chefs als sogenannte „Sozialkompetenz“ immer mehr den Ausschlag bei sich ähnelnden Lebensläufen der Bewerber geben. Wir haben hier so eine Menge Möglichkeiten, die andere nicht haben, und wir haben insbesondere die Chance und das Recht zu lernen und Fehler zu machen, was später im Berufsleben sicherlich nicht der Fall ist.

Eine wichtige Sache wurde hier noch nicht angesprochen, die jedoch in gewisser Weise die Basis unseres Zusammenlebens bildet: Unser Lebensbundprinzip. Zugegeben, es hört sich vielleicht etwas pathetisch an, in der heutigen Zeit von einem „Bund fürs Leben“ zu sprechen, jedoch ergibt sich bei näherem Hinsehen ein nicht von der Hand zu weisender Reiz in der Sache. So, wie wir nun hier in diesem Verbindungshaus leben, haben es schon viele andere, die zuvor dem Bund beigetreten sind, faszinierend gefunden, sich einer Gemeinschaft anzuschließen und dieser besonderen für immer verbunden zu bleiben. Wir sprechen nicht umsonst im ´Gothenband´ (unser halbjährlich erscheinendes Mitteilungsblatt) von der ´Gothenfamilie´ – wir sind so etwas wie eine Familie, die allerdings ständig wächst und um neue interessante Köpfe reicher wird.
Anders als die Kommilitonen von der Uni bleiben einem die Gothen ein Leben lang erhalten. Gerade auch nach dem Studium, so zeigen es unsere erfolgreichen „Regionaltreffen“ in verschiedenen Gegenden Deutschlands, freut man sich doch sehr, sich hin und wieder mit älteren und jüngeren Mitstudenten der TH/TU zu treffen und zu erzählen. Sei es „auf dem Haus“ oder sonstwo.

Klar, wer zu uns gehört, ist keiner aus der grauen Masse, aber wer will das schon sein? Uns macht´s Spaß, so wie es ist – andere mögen anders denken. Gut, warum auch nicht? Jeder nach seiner Façon!“

Aus der Handreichung der Darmstädter Burschenschaft Gothia